Der Zürcher Kantonsrat hat 180 Mitglieder, welche verteilt auf 18 Wahlkreise, nach dem Proporzverfahren, für 4 Jahre gewählt werden. Derzeit sind die Mehrheitsverhältnisse äusserst knapp. Die «Bürgerlichen» (FDP 30, Die Mitte 11 und SVP 49) verfügen arithmetisch über die Hälfte der Ratssitze, wobei der derzeitig Ratspräsident der SVP angehört und ein weiterer Sitz einer Stadtzürcher Konvertitin (von GLP zu FDP) in der Schwebe hängt. Der Ratspräsident darf im Normalfall nicht mitstimmen und nur bei Stimmengleichheit den Stichentscheid fällen. Bei solch knappen Stimmverhältnissen kann schon ein einziges Parlamentsmitglied seine Partei oder eine ganze Ratsseite aufgrund egoistischen Verhaltens und der Absenz vom Ratsbetrieb um den politischen Lohn bringen.

Anlässlich der Kantonsratssitzung vom 30. September 2024 kam es leider, schon zum wiederholten Mal in der laufenden Amtsperiode, wegen Absenzen auf der bürgerlichen Ratsseite, diesmal zu drei! Abstimmungserfolgen der Ratslinken bei bildungsspezifischen Vorlagen: Das Parlament stimmte mehrheitlich für die Einführung des sogenannten Lektionenfaktors. Für die Vorbereitung einer Unterrichtslektion von 45 Minuten und für das Korrigieren nach der Lektion sollen die Lehrer nun nicht mehr nur 58 Stunden, sondern 62 Stunden Lohn erhalten respektive für die Vor- und Nacharbeitung einer Lektion soll neu Lohn für 50 anstatt 44 Minuten bezahlt werden. Gemäss Kantonsrat Marc Bourgeois (FDP, Zürich) hat der erhöhte Lektionenfaktor ein Preisschild von CHF 100 Mi9 (Die Tribüne hat diese Aussage nicht überprüft): aufgrund von Absenzen im bürgerlichen Lager (es fehlten 4 Ratsmitglieder, je 2 von FDP und SVP) wurde das Postulat der SP mit 90:86 Stimmen überwiesen. Eine Motion (der Regierungsrat muss bindend eine Gesetzesänderung ausarbeiten) zur Besserstellung der Schulleitungen wurde mit «nur» 1 Stimme Unterschied zugunsten der Linken mit 87:86 Stimmen überwiesen und ein weiters Postulat, auch aus den Reihen der SP, betreffend mehr Flexibilität der Klassengrössen, wurde wiederum mit 90:86 Stimmen überwiesen.

Traurig an der ganzen Sache ist besonders, dass ein Vertreter einer bürgerlichen Partei es seit mehreren Jahren regelmässig schafft, bei wichtigen Abstimmungen nicht im Saal präsent zu sein. Ein zweiter, bürgerlicher Parlamentarier der gleichen Partei findet jedes Jahr während der Sitzungsmonate im Winter, Zeit im sonnigen Süden zu verbringen und so der Ratslinken immer wieder zu Abstimmungserfolgen zu verhelfen.

Die Ratslinke hält Absenzen auf einem Minimum und darf dafür regelmässig Abstimmungserfolge einheimsen.

Initiative Stellvertreterlösung

Der Gemeinderat der Stadt Zürich hat 2020 dem Kantonsrat eine Behördeninitiative eingereicht, welche verlangt, dass im Gesetz über die politischen Rechte (GPR, 161.) auf kantonaler Ebene eine Rechtsgrundlage zu schaffen ist, welche den Gemeindeparlamenten ermöglicht, eine Stellvertretungsregelung zu erlassen. Der Regierungsrat lehnt dies ab. Und eine Parlamentarische Initiative (KR-Nr. 420/2020), «Stellvertretungsregelung Zürcher Parlamente», von Seiten von Kantonsräten aus SP, Al, GLP und Grünen, will eine Stellvertreterregelung für den Kantonsrat in die Verfassung schreiben und im Gesetz über die Politischen Rechte (GPR, 161) die Möglichkeit einer temporären Stellvertretungsregelung von drei bis maximal acht Monaten festschreiben. Beide Vorstösse, welche derzeit in einer Vorberatenden Parlamentskommission beraten werden, lösten das Problem mit den (Teil- und) Sitzungs-Absenzen aber nicht grundlegend.

Remedur schaffen

Einzelne «Wiederholungstäter» werden wohl erst von ihrem egoistischen Treiben absehen, wenn sie durch ihre Fraktionen aufgrund wiederholter Absenzen gröber sanktioniert (z. B. temporärer Ausschluss), öffentlich gemassregelt oder nicht mehr zur Wiederwahl aufgestellt werden. Es kann und darf nicht sein, dass eine ganze Fraktion oder sogar eine ganze Ratsseite, respektive ihre Wähler, aufgrund egoistischen Handels einzelner Parlamentarier um ihren politische Lohn gebracht werden und sich deren harte Arbeit mit der Differenz von sogar nur einer Stimme absolut unnötigerweise in Luft auflösen kann.